Rechtsfragen in der Medizin

Rechtliche Aspekte freiheitsentziehender und freiheitsbegrenzender Maßnahmen in der Medizin




Rechtliche Aspekte freiheitsentziehender und freiheitsbegrenzender Maßnahmen in der Medizin

(Dieser Vortrag wurde am 02.04.2008 anlässlich des 2. Bernauer Ethiktages im Krankenhaus Bernau gehalten.)


Die mir vorliegende Einladung enthält Begrifflichkeiten, wie sedieren, fixieren, Freiheitsentziehung, Freiheitsbeschränkung, Durchgangssyndrom. Sie verweist direkt oder indirekt auf ein ärztliches Behandlungsverhältnis und Selbstbestimmungsrecht der Patienten.

Bevor ich mit den Ausführungen zum Thema beginne, möchte ich drei Grundgedanken voranstellen, die zwar nicht vordergründig juristischen Bezug haben. Dennoch werden die Probleme unserer Zeit offenbar und damit auch die Herausforderungen, denen sich die Medizin zu stellen hat.

1.
Wir befinden uns in einem sehr modernen Krankenhaus, in welchem neueste Diagnose-, Therapie- und Operationsmethoden zur Behandlung von Herz- und Kreislauferkrankungen praktiziert werden.
Damit bietet das Krankenhaus Bernau, welches in das wohl beste Gesundheitswesen der Welt integriert ist, optimale Möglichkeiten für die Versorgung und Behandlung eines Patienten.
Somit ist es ein gutes Recht der Kranken, die in Bernau betreut werden, Bestmöglichstes erwarten zu dürfen.

Was aber erwartet der Patient?

"Heute besteht die Gefahr, dass Gesundheit zum Produkt der eigenen Lebensgestaltung, der medizinischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten wird. Ärzte werden zu Vertragspartnern, bei denen man eine gelungene Operation, einen wiederhergestellten Körper einklagen möchte. Der Heilungsprozess wird nach Diagnosen berechnet und soll einem festgelegten Zeitschema folgen. Pflege wird zur Dienstleistung, die man in einzelne Funktionseinheiten zerlegen kann. Die Orientierung an einem Produkt- und Kundenbewusstsein führt schließlich zu einer Verrechtlichung, die am Ende auch das Recht auf einen guten Tod einzuschließen scheint."
(Bischof Dr. Wolfgang Huber, Statement zur Pressekonferenz Woche für das Leben, Gesundheit - höchstes Gut?, 07.03.2008)

Ich denke, dass Bischof Huber in wenigen Worten das Debakel unserer Zeit angesprochen hat.
In der Tat ist es so, dass der Mensch nach den fundamentalen Ereignissen am Ende des letzten Jahrtausends glaubt, alles steuern und regeln zu können.
Natürlich ist es keine Frage, in kürzestes Zeit jeden Punkt der Erde erreichen zu können.
Natürlich kann sich ein Privatpatient in Bernau, in New York oder aber in Sydney medizinisch behandeln lassen.
Dennoch ist es nicht gelungen, die überwiegende Anzahl möglicher Erkrankungen, die auf dieser Welt anzutreffen sind, dauerhaft zu heilen.
Auch wenn jeder Kranke seine vollständige Genesung erreichen möchte, ist es heute und vielleicht in aller Zukunft nicht machbar.

2.
Es gibt ein Gesetz der Zahl, welches schlicht ausgedrückt so lautet,
wer wenig macht, macht wenig Fehler und
wer viel macht, macht viele Fehler.
Es ist eben ein Unterschied, ob lediglich 1.000 Patienten oder aber 10.000 Patienten auf einem hohen Niveau behandelt werden.
Für Jedermann ist klar, dass bei 10.000 behandelten Patienten, die zugleich die unterschiedlichsten Persönlichkeitsstrukturen verkörpern, nicht zugleich 10.000 zufriedene Patienten auftreten werden. Ebenso ist klar, das es Fehler geben wird. Wir müssen also versuchen, die Fehler so gut als möglich zu vermeiden oder aber ihre Auswirkungen erträglich zu begrenzen.

3.
In Vorbereitung dieses Vortrages habe ich mir die Mühe gemacht, diverse Datenbanken nach gerichtlichen Entscheidungen zu meinem heutigen Thema durchzuschauen.

Ich habe dabei festgestellt, dass die überwiegende Anzahl der von mir gelesenen Urteile eine Haftung der Ärzte oder aber des Krankenhauses abgelehnt haben.
Ich denke deshalb, dass die juristischen Regelungen und das juristisch Prozedere, welches natürlich auch bei der Behandlung von Patienten berücksichtigt werden muss, oftmals überbewertet wird.
Zurecht betont Ulsenheimer in seiner Veröffentlichung "Arztstrafrecht in der Praxis", 4. Auflage, dass die Ärzteschaft die "Verrechtlichung" der Medizin oder dass "Diktat juristischer Zwänge" mit großer Sorge und Beunruhigung betrachtet.
Dies gilt nach meiner Auffassung um so mehr, als ich ein Auseinanderfallen zwischen immer perfekteren juristischen Regelungen einerseits und der breiten Bereitschaft, dieses Reglement auch einhalten zu wollen und zu können, beobachte.
Vielleicht müssen viele Dinge, die uns umgeben, wieder auf ein vernünftiges Maß zurückgeschraubt werden. Dies erfordert u.a. Engagement, Mut, Verstand, Ehrlichkeit und was die ärztlichen Berufe im Besonderen angeht, Menschlichkeit und Einfühlungsvermögen.


Nun zum Thema:

Um die eingangs benannten Schlagworte aus juristischer Sicht in ein sinnvolles Zusammenspiel zu bringen, ist es meines Erachtens notwendig,

zunächst das Rechtsverhältnis zwischen Arzt/Krankenhaus einerseits und dem Patienten andererseits juristisch zu beschreiben.

Grundsätzlich kann gelten, dass es sich bei einem Behandlungsvertrag um einen Dienstvertrag und demnach um keinen Werkvertrag handelt. Rechtlich unterscheiden sich Dienst- und Werkvertrag dadurch, dass bei einem Werkvertrag stets Erfolg geschuldet ist.
Hingegen besteht bei einem Dienstvertrag die Verpflichtung, die geschuldeten Dienste und damit den vertraglich geschuldeten ärztlichen Eingriff fachgerecht durchführen zu müssen.
Im Konkreten bedeutet fachgerecht, die Anwendung medizinischer Mittel und Methoden, die dem anerkannten und gesicherten Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Ableistung der Dienste entsprechen.
Diese grundlegende rechtliche Beurteilung zur Rechtsnatur des Arztvertrages ergibt sich unter anderem aus BGH NJW 1975, 305, OLG Brandenburg OLGR 2005, 489; OLG Koblenz NJW-RR 1994, 52 usw.

Für den Krankenhausvertrag gilt ein Gleiches. Hier ist es so, dass der Patient zum Krankenhausträger in vertragliche Beziehung tritt und die behandelnden Ärzte juristisch als Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB fungieren.


Ich verzichte an dieser Stelle darauf, Fallgestaltungen, wie den totalen Krankenhausvertrag mit Arztzusatzvertrag, den gespaltenen Krankenhausvertrag und ähnliches auszuführen, da für die zur Diskussion stehende Thematik nicht hilfreich.

Der dem Arzt/Krankenhaus in dem Dienstvertragsverhältnis zustehende Handlungsspielraum bestimmt sich demnach durch die vertragliche Verpflichtung auf fachgerechte Leistungserbringung.
Dies bedeutet, dass der Arzt tatsächlich und juristisch mit der im Verkehr erforderlichen objektiven Sorgfalt handeln muss, was sich im Umkehrschluss aus § 276 BGB (Verantwortlichkeit des Schuldners) ergibt.
Damit wird rechtlich die Wahrung einer berufsspezifischen Sorgfalt gefordert, deren Umfang und Maß sich nach dem Gewicht der jeweiligen Gefahr aus der Sicht ex-ante und den in der einschlägigen ärztlichen Fachrichtung zu erwartenden Kenntnissen und Fähigkeiten bestimmt (vgl. BGH, NJW 2000, 2758).
Grundsätzlich ist der Arzt in der Auswahl der anzuwendenden Methoden frei. So ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes und damit seine höchstpersönliche Entscheidung (u.a. BGH NJW 1982, 2121).


Allerdings wird diese Entscheidungsfreiheit dadurch begrenzt, indem die handelnden Mediziner an einem Leitbild gemessen werden, das sich am Standard eines erfahrenen Facharztes orientiert (BGH NJW 1993, 2989).
Nicht unwesentlich wird die Stellung des Arztes durch dessen Garantenstellung bestimmt.
Mit der faktischen Übernahme der Betreuung und der Versorgung des Patienten kommt dieser in die Pflicht, im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren alle gebotenen medizinischen Maßnahmen ergreifen zu müssen, um die dem Kranken drohenden Schädigungen abzuwenden (vgl. BGH NJW 1979, 1258).

In der Regel sind Rechtsverhältnisse zwei- oder mehrpolig.
Ich habe versucht, mit wenigen Worten die rechtliche Position des Arztes/Krankenhaus in dem dienstvertraglichen Verhältnis zu beschreiben.
Die andere Seite dieses rechtlichen Verhältnisses wird durch die Position des Patienten bestimmt. Zum einen benötigt dieser die ärztliche Hilfe zur Gesundung und/oder Linderung. Zum anderen verfügt der Patient oftmals noch nicht einmal im Ansatz über die Fachkunde des Mediziners.
Gleichwohl wird die rechtliche Position des Patienten durch das Recht auf Menschenwürde, körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung (Art. 1, 2 GG) geprägt.

Hinzu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung selbst der gebotene und fachgerecht ausgeführte ärztliche Heileingriff den Tatbestand der Körperverletzung nach §§ 223, 224 StGB erfüllt, soweit dieses ärztliche Handeln nicht durch die ausdrückliche oder mutmaßliche Einwilligung des Patienten gedeckt ist (hierzu u.a. BGH NJW 1989, 1538; OLG Koblenz NJW-RR 2002, 816).
Damit hat der Patient ein Recht darauf, über die Bedeutung, die Art, den Ablauf und die Folgen eines ärztlichen Eingriffs Aufklärung zu erhalten. Zugleich ist im Wechselspiel die Verpflichtung des Arztes hierzu begründet.
Jedoch muss der Patient nicht über alle denkbaren medizinischen Risiken exakt oder in allen erdenkbaren Erscheinungsformen aufgeklärt werden (u.a. OLG Nürnberg NJW-RR 2004, 1543 bzw. OLG Schleswig OLGR 2005, 24). Vielmehr wird es hinreichend sein, wenn dem Patienten spezifische Risiken vom Grundsatz her näher gebracht werden.
Im Hinblick auf unser Tagesthema ist es meines Erachtens zweckmäßig, beispielsweise jeden Patienten, der sich einer stationären Behandlung oder einem operativen Eingriff unterziehen muss, mit der möglichen Komplikation des Durchgangssyndroms bekannt zu machen. Nach meiner Überzeugung werden die meisten Patienten für diesen Fall bereit sein, einer Behandlung zuzustimmen, die dem ärztlichen Fachstandard entspricht.

Sofern es sich hierbei um eine Sedierung handelt, wäre in einem derartigen Fall - bilderbuchhaft - das ärztliche Handeln von der Zustimmung des Patienten gedeckt. Ein Gleiches gilt im Übrigen für eine Fixierung.

In unserer Rechtsordnung wird die Freiheit der Person als "hoher Wert" bezeichnet.
Der Eingriff in die persönliche Freiheit ist nur unter den engen Voraussetzungen des Artikel 104 GG möglich.
Grundsätzlich wird unter einer Freiheitsentziehung die Unterbringung einer Person ohne oder gegen ihren Willen in einen besonderen, abgeschlossenen Raum oder Gebäude verstanden, wobei die Unterbringung eine gewisse Mindestintensität überschreiten muss. Freiheitsentziehung hat somit den allseitigen Ausschluss der Bewegungsfreiheit einer Person durch Einsperren zur Folge. Damit hat diese keine Möglichkeit, den Aufenthaltsort zu verlassen.
Klassisches Beispiel für eine Freiheitsentziehung im Bereich der Medizin ist die Unterbringung Geisteskranker in Heilanstalten.
Jedoch stellt nicht jeder Ausschluss der Bewegungsfreiheit einen Eingriff in das Recht auf Freiheit der Person dar. Vielmehr kommt es auf den Zweck der Beschränkung an. Wenn diese nicht in das Grundrecht der Freiheit der Person eingreift, liegt auch keine Freiheitsentziehung vor.

Zum Beispiel muss ein Schüler während des Schulunterrichts im Klassenraum verbleiben; ein Soldat darf während seines Wachdienstes nicht den Wachraum verlassen usw.
Man spricht also nur dann von einer Freiheitsentziehung, wenn sich die Pflicht zum Verweilen an einem Ort nicht als bloße Nebenpflicht einer anderen Pflicht darstellt, sondern die Pflicht zum Verbleiben an der Örtlichkeit eigenständig ist (Verbüßung einer Freiheitsstrafe schon; Vorführung zur ärztlichen Untersuchung nach dem Gesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten gleichsam keine Freiheits-entziehung, da gesetzlich statuierte Nebenpflicht zur Durchführung einer ärztlichen Untersuchung (BGH NJW 1982, 753).

Unter Freiheitsbeschränkung werden alle Maßnahmen demnach verstanden, die sich nicht als Freiheitsentziehung darstellen. Demnach kommt eine bloße Freiheitsbeschränkung danach nur bei einer partiellen, nur in irgend eine Richtung weisenden Beeinträchtigung in Betracht (BGH NJW 1982, 753).
Ansonsten ist es unerheblich, in welcher Art und Weise die tatsächliche Einschränkung der allseitigen körperlichen Bewegungsfreiheit erreicht wird.
Es ist demnach eine Freiheitsbeschränkung objektiv auch durch Verabreichung von Medikamenten möglich.
Im Gegensatz zur Freiheitsentziehung bedürfen Maßnahmen, die die Freiheit einer Person lediglich beschränken, nicht der richterlichen Anordnung (Art. 104 II GG).

Ich habe bereits dargestellt, dass jede Freiheitsentziehung und jede Freiheitsbeschränkung, die mit Zustimmung des Betroffenen erfolgt, letztlich durch die Einwilligung rechtlich abgedeckt ist.
Demnach sind für die Jurisprudenz nur die Fälle von Interesse, bei denen weder eine ausdrückliche noch eine mutmaßliche Zustimmung für die Freiheitsentziehung bzw. Freiheitsbeschränkung vorliegt.

Durch den Gesetzgeber sind eine Reihe von Rechtsvorschriften erlassen worden, die auch im medizinischen Bereich Freiheitsentziehungen und Freiheitsbeschränkungen rechtfertigen.
Zu nennen sind

a) die öffentlich-rechtliche Unterbringung
Bei dieser Fallgruppe geht es im Wesentlichen um die stationäre Betreuung psychisch kranker Personen. Rechtsgrundlagen für diese Unterbringung sind unter anderem das Strafgesetzbuch (§ 63 StGB - Maßregelvollzug) und die Psychisch-Kranken-Gesetze bzw. Unterbringungsgesetze der Länder.
Nach diesen gesetzlichen Regelungen stellen Unterbringungsgründe sowohl eine krankheitsbedingte Selbstgefährdung als auch die Fremdgefährdung dar.
Letztlich entscheidet über die Unterbringung die zuständige Behörde.
Selbst im Fall einer anders lautenden Patientenverfügung ist eine stationäre psychiatrische Behandlung möglich, sofern eine Fremdgefährdung festzustellen ist (OLG Hamm, Beschluss 19.12.2006, Geschäftszeichen 15 W 126/06).

b) Unterbringung auf privatrechtlicher Basis
Nach der Kernvorschrift des § 1906 BGB dient die mit einer Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung ausschließlich dem Wohl des Betreuten. Nur dann ist sie zulässig.
Die Unterbringung bedarf stets der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, es sei denn, es besteht Gefahr im Verzug.
§ 1906 IV BGB bestimmt, dass diese Maßgaben auch dann gelten sollen, wenn dem Betreuten die Freiheit "durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig ... entzogen werden soll".

Da die Zielsetzung des ärztlichen Handelns grundsätzlich darin besteht, zum Wohle des Patienten zu diagnostizieren und zu therapieren, ist stets zu entscheiden, inwieweit freiheitsbeschränkende Fixierungen und Sedierungen medizinischem Standard entsprechen.
Sofern der Patient in die Behandlung eingewilligt hat und hierzu hinreichend aufgeklärt wurde, sind meines Erachtens Sedierung und Fixierung tatsächlich und rechtlich unproblematisch, da am Wohl des Patienten orientiert.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 02.12.1975 (Geschäftszeichen VI ZR 79/74) haben die Sicherheit und der Schutz eines Patienten im Krankenhaus oberstes Gebot. Hierbei muss auch jede Form der Selbstgefährdung präventiv verhindert werden (BGH, Urteil 30.05.1953, Geschäftsnummer II ZR 40/53).

Nach OLG München MDR 1998, 366 ist eine Fixierung bei nur eindeutigen Anzeichen einer Selbstgefährdung zulässig.

Zusammenfassend wird man also festhalten können, dass eine am Wohl eines ausreichend aufgeklärten Patienten orientierte und begründete Sedierung und Fixierung bei Diagnose und Therapie rechtlich zulässig sind, soweit andere Maßnahmen nicht hinreichen und damit ein Behandlungsgebot in diese Richtung besteht.
Bei diesen freiheitsbeschränkenden Maßnahmen handelt es sich somit um ultima-ratio-Handlungen, die unverzüglich zu beenden sind, sobald die sie erfordernden Tatsachen nicht mehr bestehen.
Es ist dringend anzuraten, Eingriffe in die persönliche Freiheit eines Patienten umfassend zu dokumentieren und die hierfür maßgeblichen Umstände umfassend zu bezeichnen.

Sofern länger andauernde Freiheitsbeschränkungen notwendig sind und damit die Abgrenzung zur Freiheitsentziehung schwierig wird, sollte vorsorglich bei fehlendem Einverständnis des Patienten die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach § 1906 BGB beantragt werden.

Nach meiner Einschätzung stellt sich aus juristischer Sicht nicht grundlegend die Frage, inwieweit das Sedieren dem Fixieren bzw. das Fixieren dem Sedieren vorzuziehen ist.
Rechtlich ist ausschließlich das Wohl des Patienten, welches sich am medizinischen Standard orientiert, maßgeblich.

So kann es notwendig sein, einen Patienten, der Medikamenten unverträglich ist, mechanisch zu fixieren, obgleich eine medikamentöse Sedierung zumindest vom äußeren Erscheinungsbild einen schonenderen Eindruck vermittelt.
Es kann auch notwendig sein, zu fixieren und zugleich zu sedieren.

Die Entscheidung über die Anordnung freiheitsbeschränkender Maßnahmen gegenüber dem Patienten liegt allein in der Hand des verantwortlichen Arztes und darf vom Pflegepersonal nur zur Abwendung unmittelbarer Gefahr bis zur unverzüglich herbeizuführenden Entscheidung des Arztes praktiziert werden (OLG Köln OLGR Köln 1993, 52).

Während andauernder Sedierung und Fixierung muss dem Patienten eine der Situation angemessene Aufmerksamkeit, die oftmals über ein ansonsten übliches Maß hinausgeht, zuteil werden.
In der viel beachteten Entscheidung vom 08.04.2003 hat der 6. Senat des Bundesgerichtshofes (NJW 2003, 2309) gefordert, dass einem ambulant sedierten Patienten die Möglichkeit einer unbemerkten Entfernung nach der durchgeführten Behandlung genommen werden muss.
Begründet wurde diese Forderung unter anderem mit der Auffassung, dass derjenige, der zum Beispiel durch Sedierung und Fixierung Gefahrenquellen schafft oder verstärkt, auch die notwendigen Maßgaben zum Schutz des Patienten veranlassen muss.
Ich denke, dass der BGH mit dieser Entscheidung die hohe Eigenverantwortung der Ärzteschaft für die angeordneten medizinischen Maßnahmen nochmals herausstellte und damit die besondere Garantenstellung des Arztes betonte.
Am Rande sei nur darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung des BGH durchaus kritischen Zuspruch gefunden hat.
Zurecht weist Laufs in seinem Aufsatz „Der mündige aber leichtsinnige Patient“ (NJW 2003, 2288) darauf hin, dass die höchstrichterliche Entscheidung durch seine wenig differenzierte Strenge vor dem Hintergrund überrascht, dass der betroffene Patient um die Wirkungen der Sedierung wusste. Er hatte diese Wirkungen verdrängt und ist bei einem Unfallgeschehen zu Tode gekommen.


Abschließend vielleicht einige wenige Bemerkungen zur terminalen Sedierung.
Nach wie vor ist das Problem der Sterbehilfe und der insoweit zu beachtenden strafrechtlichen Grenzen ungeklärt (vgl. u.a. BGH NJW 2005, 2385).

Schreiber („Das ungelöste Problem der Sterbehilfe ﷓ zu den neuen Entwürfen und Vorschlägen ﷓“ , NStZ 2006, 473) ist zuzustimmen, wenn er konstatiert, dass der Grat der Unterscheidung zwischen verbotener aktiver Sterbehilfe und folgenloser Sterbebegleitung sehr schmal ist.
Eine Straflosigkeit dürfte immer dann gegeben sein, wenn bei derartigen Fallgestaltungen die mit der Sedierung verbundene Schmerzbekämpfung vom Ergebnis die mögliche Nebenfolge Tod, die jedoch nicht beabsichtigt ist, hinnimmt.



© 2008 Udo Blümel Rechtsanwälte