Die Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft stellt in den meisten Ländern einen erheblichen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte der Freiheit der Person dar. Aus diesem Grunde sind die Voraussetzungen und die Ausgestaltung mehrheitlich in den Ländern durch von den jeweiligen Parlamenten beschlossenen Gesetzen geregelt worden, um willkürliche Inhaftierungen ohne durch Urteil festgestellte strafrechtliche Schuld zu vermeiden.
Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Umstand, dass in Deutschland bis zum Nachweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung gilt und somit auch die Inhaftnahme von Beschuldigten, die sich später als unschuldig erweisen, nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann.

Nachfolgend soll ein Überblick über die Ausgestaltung und gesetzlichen Regelungen der Untersuchungshaft in Deutschland und im weiteren im Vergleich hierzu in einzelnen ausgewählten Ländern Europas gegeben werden.


| Die Untersuchungshaft in Deutschland


| Die Untersuchungshaft in der Russischen Föderation


| Die Untersuchungshaft in der Ukraine


| Die Untersuchungshaft in Polen


| Die Untersuchungshaft in der Türkei



Die Untersuchungshaft in Deutschland

1. Rechtsquellen – gesetzliche Grundlagen

Aufgrund des grundgesetzlich geschützten Rechts eines jeden Einzelnen, in das nur durch Gesetz eingegriffen werden darf, ist die Untersuchungshaft in Deutschland in den §§ 112 bis 113 der Strafprozessordnung und den §§ 72, 72 a Jugendgerichtsgesetz – JGG für jugendliche Straftäter besonders gesetzlich geregelt.

Da nach dem im Strafrecht der Bundesrepublik Deutschland geltenden Grundsatz ein Betroffener solange als unschuldig gilt, bis ihm die Tat nachgewiesen ist, sind an die Anordnung der Untersuchungshaft besondere Anforderungen und Voraussetzungen zu stellen, um diese als Ausnahmefall zu belassen und einen Missbrauch zu vermeiden.

Die Vollziehung der Untersuchung erfolgt auf der Grundlage der Regelung in § 119 StPO sowie der bundeseinheitlich geltenden Untersuchungshaftvollzugsordnung (UVollzO) in der mit Änderungen seit dem 01.01.1977 geltenden Fassung. Sie regelt die Aufnahme, Behandlung, Unterbringung, Lebenshaltung, Trennung von Strafgefangenen, die Gesundheitsfürsorge u.a. sowie die Entlassung des Untersuchungsgefangenen.

2. Zweck der Untersuchungshaft

Der Zweck der Untersuchungshaft besteht in der Durchsetzung des Anspruchs der staatlichen Gemeinschaft auf vollständige Aufklärung der Tat und möglichst zeitnahe Bestrafung des Täters (BVerfGE 20, 49).

Die Untersuchungshaft dient daher insbesondere der Sicherung und Durchführung des Ermittlungsverfahrens und des Strafprozesses.

3. Arten der Untersuchungshaft

Zu den besonderen Arten der Untersuchungshaft gehören die Hauptverhandlungshaft (§ 127 b), die Sicherungshaft (§ 453 c), die Vollstreckungshaft (§ 457 Abs. 2) und die Ungehorsamshaft (§ 230 Abs. 2, §§ 236, 329 Abs. 4 S. 1).

Neben den vorgenannten Arten der Untersuchungshaft gibt es die gesetzlich nicht geregelte Organisationshaft. Diese betrifft den Zeitraum zwischen der Beendigung der Untersuchungshaft durch Rechtskraft des Strafurteils und die Aufnahme in den Maßregelvollzug. Sie darf solange Aufrecht erhalten bleiben, wie die Vollstreckungsbehörde unter Berücksichtigung des Beschleunigungsverbotes benötigt, um einen Platz in einer Maßregelvollzugsanstalt zu finden (vgl. OLG Celle, StV 2003, 32). Ist es auf absehbare Zeit nicht möglich, einen entsprechenden Platz zu finden, ist der Verurteilte freizulassen (OLG Brandenburg NStZ 2000, 500).

4. Ausgestaltung der Untersuchungshaft

a) Voraussetzungen
Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft sind nach den gesetzlichen Regelungen in §§ 112 ff. StPO das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts, ferner eines gesetzlich festgeschriebenen Haftgrundes sowie die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Untersuchungshaft zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nicht außer Verhältnis steht.

aa) Der erforderliche dringende Tatverdacht muss sich aus konkreten Tatsachen ergeben, die sich während des Ermittlungsverfahrens aus dem Ermittlungsergebnis und in dem sich anschließenden Strafverfahren aus der Beweisaufnahme feststellen lassen müssen. Bloße Vermutungen genügen hierfür nicht. Eine Beurteilung erfolgt hierbei stets auf Grund des gegenwärtigen Ermittlungsstandes und kann sich somit im Laufe der Ermittlungen ändern, während sich der (lediglich) hinreichende Tatverdacht im Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ergibt. Während für die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts eine Möglichkeit der Verurteilung ausreichend ist, bedarf der dringende Tatverdacht einer Wahrscheinlichkeit der Verurteilung.
Sind Anhaltspunkte für das Vorliegen von Rechtfertigungs-, Strafausschließungs- oder Schuldausschließungsgründe gegeben bzw. wahrscheinlich, kann ein dringender Tatverdacht nicht mehr angenommen werden.

bb) Zu den gesetzlich normierten Haftgründen (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 – 3 StPO), die für die Anordnung der Untersuchungshaft notwendig sind gehören:
- die Flucht (Aufgabe der Wohnung oder Absetzen ins Ausland),
- das Verborgenhalten (Entzug durch unangemeldetes oder unter falschem Namen oder an einem unbekannten Ort Leben)
- bestehende Fluchtgefahr
- Verdunklungsgefahr (bestehende Gefahr, dass der Betroffene Beweismittel vernichtet, verändert, beiseite schafft, unterdrückt oder fälscht oder auf Mitbeschuldigte, Zeugen, Sachverständige in unlauterer Weise einwirkt

des Betroffenen.

cc) Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit erfordert eine Abwägung zwischen der Bedeutung der Strafsache sowie die hiernach zu erwartenden Rechtsfolgen und die Schwere des mit der Untersuchungshaft verbundenen Eingriffs in die Rechte und das Leben des Betroffenen.
Nur wenn das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung die Interessen des Betroffenen überwiegen, darf ein Haftbefehl erlassen werden.

b) Befugnisse /Zuständigkeiten
Die Anordnung der Untersuchungshaft erfolgt durch schriftlichen Haftbefehl eines Richters, der den Namen des Beschuldigten, die Tat deren er dringend verdächtig ist, Zeit und Ort der Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften, der Haftgrund und die Tatsachen, aus denen sich der dringenden Tatverdacht ergibt, enthalten muß (§ 114 StPO).

Sobald der Beschuldigte festgenommen wurde, ist er unverzüglich dem für das Hauptverfahren zuständigen Richter vorzuführen. Die Vernehmung durch den Richter hat spätestens am nächsten Tag nach der Festnahme zu erfolgen. Dieser entscheidet nach der Vernehmung des Beschuldigten zur Sache, ob die Untersuchungshaft angeordnet, aufrechterhalten oder aufgehoben wird. Er prüft mithin die für die Untersuchungshaft notwendigen Voraussetzungen, wie das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts und eines Haftgrundes und wägt die Interessen der Öffentlichkeit und des Beschuldigten im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ab.

Kann eine Vorführung des Beschuldigten vor den zuständigen Richter nicht möglich, ist die Vorführung spätestens am nächsten Tag bei dem nächsten Amtsgericht vorzunehmen. Der Richter am Amtsgericht stellt im Rahmen der Vernehmung die Identität des Beschuldigten und das Bestehen des Haftbefehls fest. Eine Entscheidung über die Untersuchungshaft trifft er jedoch nicht, ist aber gemäß §§ 115, 155a StPO verpflichtet, die Einwendungen des Beschuldigten gegen die Inhaftierung oder sich für ihn nach der Einvernahme des Beschuldigten zur Sache ergebenden eigene Bedenken dem für das Hauptverfahren zuständigen Richter umgehend mitzuteilen.

c) Dauer / Verlängerung
Grundsätzlich gilt, dass die Untersuchungshaft nur so lange dauern darf, wie die hierfür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Fallen diese ganz oder zum Teil später weg, ist die Anordnung der Untersuchungshaft, mithin der Haftbefehl aufzuheben (§ 120 StPO).

Die Anordnung der Untersuchungshaft kann in der Regel bis zu 6 Monaten erfolgen. Darüber hinaus kann die Untersuchungshaft wegen ein und derselben Tat nur aufrecht erhalten bleiben, wenn zwischenzeitlich ein Urteil auf Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung ergangen ist oder wenn die Fortdauer durch das zuständige Oberlandesgericht wegen besonderer Schwierigkeit oder besonderem Umfang der Ermittlungen angeordnet wird (§ 121 StPO).
Andernfalls ist der Haftbefehl nach Ablauf von 6 Monaten aufzuheben, wenn dessen Vollzug nicht nach § 116 StPO ausgesetzt ist.

Eine Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr darf nicht länger als ein Jahr aufrechterhalten bleiben (§ 122a StPO).

d) Verhängungsverbote / Ersatzmaßnahmen
Die Anordnung der Untersuchungshaft darf nicht erfolgen, wenn die Haftvoraussetzungen nicht (mehr) vorliegen oder die Haft unverhältnismäßig ist.
Letzteres gilt z.B., wenn die Dauer der wegen der begangenen Straftat zu erwartenden Freiheitsstrafe bereits erreicht bzw. überschritten ist.

Gemäß § 113 StPO darf die Untersuchungshaft wegen des Haftgrundes der Verdunklungsgefahr nicht angeordnet werden, wenn die verfolgte Tat nur mit einer Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bedroht ist.
Ist in gleichen Fällen der Haftgrund der Fluchtgefahr gegeben, darf eine Anordnung der Untersuchungshaft nur erfolgen, wenn der Beschuldigte keinen festen Wohnsitz hat, sich nicht identifizieren kann oder bereits versucht hat, sich dem Verfahren zu entziehen.

Ferner darf eine Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn der Beschuldigte freiwillige Beschränkungen auf sich nimmt, die die Haftgründe ausräumen (Abgabe der Personalpapiere, freiwillige Einweisung in eine Anstalt). Die Untersuchungshaft kommt daher als letztes Mittel in Betracht, wenn andere Maßnahmen nicht angezeigt sind.
Anstelle der Untersuchungshaft können Ersatzmaßnahmen wie Maßregeln zur Besserung und Sicherung angeordnet werden, z.B. weil der Täter schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist. In Betracht kommen die Unterbringung in einem psychatrischen Krankenhaus, in einer Erziehungsanstalt oder die Sicherungsverwahrung.

5. Vollziehung der Untersuchungshaft

Der Vollzug der Untersuchungshaft erfolgt durch die Verbringung und Aufnahme des Beschuldigten in einer separaten Untersuchungshaftanstalt oder – ist eine solche nicht vorhanden – in einer normalen Haftanstalt, dann jedoch getrennt von den dortigen Strafgefangenen (§ 119 Abs. 1 StPO.
Eine Unterbringung mit anderen Untersuchungsgefangenen in einem Raum kann beantragt werden oder erfolgt, soweit der körperliche oder geistige Zustand dies erfordert.

Darüber hinaus darf sich der Untersuchungsgefangene Bequemlichkeiten und Beschäftigungen auf eigene Kosten verschaffen, soweit sie mit der Haft vereinbar sind und nicht die Ordnung der Vollzugsanstalt stören. Beschränkungen sind nur soweit möglich, soweit dies der Zweck der Untersuchungshaft oder die Ordnung der Haftanstalt erfordert .
In Betracht kommen z.B. die Gewährung von Radio- und Fernsehempfang, Besitz einer Schreibmaschine, Genehmigung von (überwachten) Besuchen von 30 Min. alle 2 Wochen einschließlich Dauerbesuchserlaubnisse durch den Richter oder Brief- und Paketverkehr unter richterlicher Kontrolle und der Möglichkeit Postsendungen anzuhalten (Nr. 34, 35 UVollzO) .

6. Haftverschonung

Die Aussetzung des Vollzuges des Haftbefehls kommt in Betracht, wenn der mit der Untersuchungshaft verfolgte Zweck auch durch weniger einschneidende Maßnahme erreicht werden kann ( § 116 Abs. 1 StPO). Solche Maßnahmen können die Auflage einer Meldepflicht, von Aufenthaltsbeschränkungen, die Aussetzung gegen Sicherheitsleistung (Kaution) oder sonstige Maßnahmen wie die Abgabe der Personalpapiere gegen Übergabe von Ersatzpapieren, Sperrung von Konten und Sparbüchern, Führerscheinabgabe oder Anweisung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten.

Über die Aussetzung der Vollziehung des Haftbefehls entscheidet der zuständige Richter, dem auch die Festlegung der sonstigen Maßnahmen, einschließlich der Art und Höhe der Sicherheitsleistung etc. obliegt.

7. Rechtsmittel

Gemäß § 117 Abs. 1 StPO kann der Beschuldigte jederzeit solange er in Untersuchungshaft ist, die gerichtliche Prüfung der Aufhebung des Haftbefehls oder die Aussetzung des Vollzuges des Haftbefehls beantragen (Haftprüfung). Die Prüfung erfolgt dann im Rahmen eines mündlichen Haftprüfungstermines beim zuständigen Richter, der hiernach durch einen mit Gründen zu versehenden Beschluss entscheidet.

Daneben kann der Beschuldigte, sein gesetzlicher Vertreter oder sein Verteidiger aber auch die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten gegen jede die Haftfortdauer anordnende Entscheidung, auch wenn sie nicht vollzogen wird, Beschwerde einlegen (Haftbeschwerde).
Die Entscheidung ergeht in der Regel nach Aktenlage und nur auf gesonderten Antrag im Wege der mündlichen Verhandlung.
Hat der Beschuldigte keinen Verteidiger und die Untersuchungshaft bereits 3 Monate angedauert, ohne dass eine Haftprüfung beantragt oder Haftbeschwerde eingelegt wurde, findet eine Haftprüfung von Amts wegen statt (§ 117 Abs. 5 StPO).


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Die Untersuchungshaft in der Russischen Föderation

1. Rechtsquellen – gesetzliche Grundlagen

Die Untersuchungshaft und ihre Voraussetzungen sind im Abschnitt 13, Artikel 108 des Strafprozessualen Kodex der Russischen Föderation geregelt.

2. Zweck der Untersuchungshaft

Untersuchungshaft ist nur eine der Zwangsmaßnahmen des russischen StPK. Wie die sonstigen Zwangsmaßnahmen dient die Untersuchungshaft dem Zweck, das Fernbleiben bzw. die Flucht des Beschuldigten vor dem Ermittlungs- bzw. Hauptverfahren zu verhindern. Außerdem wird die Untersuchungshaft zur Vorbeugung der Begehung weiterer Straftaten durch den Beschuldigten oder zum Zwecke der Sicherung des Ermittlungsverfahrens, wenn Gefahr besteht, dass der Beschuldigte Zeugen oder andere Beteiligte des Ermittlungsverfahrens bedroht, beweiserhebliche Unterlagen vernichtet oder in anderer Art und Weise das Ermittlungsverfahren behindert, angeordnet. Eine Zwangsmaßnahme (auch die Untersuchungshaft) kann auch zum Zwecke der Sicherung der Vollstreckung angeordnet werden.

3. Arten der Untersuchungshaft und sonstige Maßnahmen

Der StPK unterscheidet nicht nach den Arten der Untersuchungshaft.

Außer der Untersuchungshaft existieren folgende Maßnahmen zur Sicherung der Durchführung des Ermittlungsverfahren, des Hauptverfahrens und der Vollstreckung:
- Verpflichtung zu einer Erklärung über das Nicht-Verlassen des Wohnortes
- persönliche Bürgschaft
- Kaution
- Hausarrest

Für Wehrpflichtige und Minderjährige existieren zusätzlich abweichende Regelungen.

4. Ausgestaltung der Untersuchungshaft
Die Untersuchungshaft in Russland ist ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland ausgestaltet.

4. a) Voraussetzungen
Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls sind der Verdacht der Begehung einer Straftat, für die eine Haftstrafe über zwei Jahre angedroht wird, mildere Zwangsmaßnahmen (z. B. Kaution oder Hausarrest) nicht möglich sind oder keinen Erfolg versprechen. Wenn gegen den Verdächtigen wegen einer Straftat, für die eine niedrigere Haftstrafe vorgesehen ist, ermittelt wird, so ist seine Inhaftierung nur dann möglich, wenn der Verdächtige keinen ständigen Wohnsitz innerhalb der Russischen Föderation hat oder seine Identität nicht festgestellt wurde oder eine früher angeordnete mildere Zwangsmaßnahme durch ihn nicht eingehalten wurde oder er flüchtig war.

4. b) Dauer / Verlängerung
Die Untersuchungshaft darf grundsätzlich nicht länger als zwei Monate dauern, Artikel 109 StPK RF.
Im Falle der Unmöglichkeit, das Ermittlungsverfahren innerhalb von zwei Monaten abzuschließen, kann die Dauer der Untersuchungshaft durch den Richter auf einen Zeitraum von sechs Monaten verlängert werden. Eine weitere Verlängerung der Untersuchungshaft darf nur hinsichtlich der Personen angeordnet werden, denen die Begehung von schweren und besonders schweren Verbrechen zur Last gelegt wird. Die Dauer der Untersuchungshaft darf in diesen Fällen 12 Monate betragen. Untersuchungshaft mit Dauer von 18 Monaten kann nur in besonderen Fällen angeordnet werden und nur unter besonderen Voraussetzungen. Die Anordnung einer Untersuchungshaft, die 18 Monate überschreitet, ist nicht zulässig.
Zu der Zeit der Untersuchungshaft werden die Zeiten eines Hausarrestes sowie der vorläufigen Festnahme sowie die Zeiten einer Untersuchungshaft auf dem Territorium eines anderen Staates, wenn die Behörden der Russischen Föderation einen entsprechenden Antrag auf Auslieferung gestellt haben, zugerechnet.

4. c) Befugnisse / Zuständigkeiten
Untersuchungshaft darf nur durch einen richterlichen Haftbefehl angeordnet werden. Der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls kann durch die zuständige Staatsanwaltschaft aber auch durch andere Ermittlungsbehörden mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft gestellt werden, Artikel 108 StPK RF.
Wenn der Verdächtige schon vorläufig festgenommen wurde, so ist ein Antrag auf Erlass eines Haftbefehls spätestens acht Stunden vor dem Ablauf der Festnahmefrist einzureichen.
Zuständig für den Erlass eines Haftbefehls ist der zuständige Richter am Amtsgericht (Haftrichter). Die Anwesenheit des Verdächtigen, des Staatsanwalts und des Verteidigers, falls dieser bestellt wurde, ist bei einem Verfahren auf Erlass eines Haftbefehls zwingend notwendig. Haftbefehl in Abwesenheit des Verdächtigen kann nur dann erlassen werden, wenn nach dem Verdächtigen international gefahndet wird.

Wenn der Antrag auf Erlass eines Haftbefehls (auf Anordnung der Untersuchungshaft) abgelehnt wurde, so darf ein neuer Antrag in der gleichen Sache nur gestellt werden, wenn neue Umstände bekannt werden, die die Notwendigkeit der Anordnung der Untersuchungshaft begründen.

Wenn die Untersuchungshaft angeordnet wurde, so ist der zuständige Mitarbeiter der Ermittlungsbehörden verpflichtet, die Verwandten des Inhaftierten oder bei Auländern die Botschaft oder das Konsulat des Landes, welchem der Verdächtige angehört, unverzüglich zu informieren.

Ein Antrag auf Verlängerung der Untersuchungshaft muss spätestens 7 Tage vor dem Ablauf der zuerst angeordneten Dauer bei Gericht eingereicht werden. Der Richter ist verpflichtet, innerhalb von fünf Tagen seit Eingang des Antrages zu entscheiden.

Wenn ein Antrag auf Erlass eines Haftbefehls eingereicht wurde, kann die Fortdauer der vorläufigen Festnahme durch den Richter auf den Zeitraum von mehr als weiteren 72 Stunden angeordnet werden, sofern das Gericht beschlossen hat, dass zusätzliche Beweise für oder gegen die Anordnung der Untersuchungshaft nachgereicht werden dürfen.

5. Haftverschonung

Haftverschonung als solche kennt das StPK RF nicht. Die Untersuchungshaft muss jedoch aufgehoben werden, wenn diese nicht mehr notwendig ist. Sie kann bei Vorlage entsprechender Voraussetzungen auf eine mildere Maßnahme abgeändert werden, Artikel 110 StPK RF.

6. Rechtsmittel

Der richterliche Beschluss über die Anordnung der Untersuchungshaft kann mit einer Frist von drei Tagen im Wege einer Beschwerde bei einem Gericht höherer Instanz angegriffen werden. Das Beschwerdegericht entscheidet nicht später als drei Tage seit dem Eingang der Beschwerde.


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Die Untersuchungshaft in der Ukraine

1. Rechtsquellen

Die Untersuchungshaft ist in dem KPK UA geregelt (Kriminal-Prozessualer Kodeks Ukraine).

2. Zweck der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft soll wie im deutschen Rechtssystem auch vor allem die Flucht- oder die Verschleierungsmöglichkeit für die verdächtige Person ausschließen. Daher wird sie auch nur dann angeordnet, wenn keine andere sichere Möglichkeit besteht, dass die verdächtige Person an der gegen sie geführten Untersuchung oder Verfahren ordnungsgemäß teilnimmt, oder wenn die Befürchtung besteht dass die verdächtige Person weitere Straftaten begeht.

3. Arten der Untersuchungshaft

Das ukrainische Recht kennt zwei Arten der Untersuchungshaft:
- die Untersuchungshaft
- die vorläufige Festnahme

4. Ausgestaltung der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft ist im Kapitel 13 des KPK UA geregelt.

a) Voraussetzungen
Untersuchungshaft kann nur durch einen Richter angeordnet werden. Einen Antrag auf die Anordnung der Untersuchungshaft kann durch die Staatsanwaltschaft, aber auch durch andere Ermittlungsbehörden mit Einverständnis der Staatsanwaltschaft gestellt werden § 165 KPK UA.
Die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft liegen vor, wenn dem Verdächtigen die Begehung einer Straftat zur Last gelegt wird, für die eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren vorgesehen ist und keine anderen Zwangsmaßnahmen möglich sind § 155 KPK UA. In Ausnahmefällen kann die Untersuchungshaft auch bei Verdacht der Begehung der Straftaten mit einem Strafmaß unter drei Jahren angeordnet werden.

b) Dauer oder Verlängerung der Untersuchungshaft
Die Dauer der Untersuchungshaft darf den Zeitraum von zwei Monaten nicht überschreiten § 156 KPK UA.
In Fällen in denen eine vollständige Untersuchung der Tat innerhalb der vorgenannten Frist unmöglich ist und keine milderen Mittel in Betracht kommen, kann die Dauer der Untersuchungshaft verlängert werden und zwar:

1. auf 4 Monate auf Antrag der Untersuchungsbehörden im Einverständnis mit dem Staatsanwalt oder dem Staatsanwalt, der den Fall untersucht, selbst, oder des zuständigen Richters,
2. auf 9 Monate auf Antrag mit Zustimmung des Generalstaatanwalts der Ukraine, der Republik Krim oder ihnen gleichgestellten Staatsanwälten, oder in Fällen der schweren oder besonders schweren Straftaten durch Antrag des untersuchenden Staatsanwalts, oder durch den Richter an dem Berufungsgericht,
3. auf 18 Monate auf Antrag mit Zustimmung des Generalstaatsanwalt der Ukraine oder seines Stellvertreters oder auf Antrag der obigen selbst, oder eines Richters am Obersten Gerichtshof der Ukraine bei besonders komplizierten Untersuchungen oder besonders schweren Straftaten.

Die Zeit der Untersuchungshaft wird von dem Zeitpunkt der Festnahme berechnet oder von dem Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme an berechnet.

c) Ersatzmaßnahmen
Als mildere Zwangsmittel gegenüber der Untersuchungshaft können andere Maßnahmen ergriffen werden, nämlich:

1. die Anordnung die Stadt nicht zu verlassen.§151 KPK UA,
2. die Verbürgung von mindestens zwei Vertrauenspersonen für die festgehaltene Person verbürgen, § 152 KPK UA,
3. die Verbürgung eines Bürgervereins oder eines Betriebs oder ähnlichen Organisationen für die festgehaltene Person verbürgen. § 154 KPK UA,
4. die Gestellung einer Kaution, deren Höhe durch die Untersuchungsbehörde in Anbetracht der Straftat berechnet wird. Bei besonders schweren oder schweren Straftaten darf die Kaution nicht weniger als 1000 Minimalgehälter betragen.
5.die Inobhutnahme durch den Kommandanten der Militärabteilung.§163 KPK UA.
Die Untersuchungshaft wird aufgehoben, wenn diese nicht mehr notwendig ist. Sie kann auf ein milderes Mittel abgeändert werden § 165 KPK UA. Dies geschieht jedoch nur durch einen richterlichen Beschluss.

5. Vollzug

Die Personen, für die Untersuchungshaft angeordnet wurde, müssen nach §155 KPK UA in einer Untersuchungszelle untergebracht werden oder in Ausnahmefällen in Räumen, die für die Unterbringung festgehaltenen Personen bestimmt sind.

6. Rechtmittel

Der richterliche Beschluss über die Anordnung der Untersuchungshaft kann mit einer Frist von drei Tagen im Wege einer Beschwerde bei einem Berufungsgericht, auf Antrag des Beschuldigten bzw. des Verdächtigen selbst oder durch seinen Verteidiger oder auf Antrag des zuständigen Staatsanwalts, angegriffen werden. Die Beschwerde unterbricht jedoch nicht den Vollzug der bereits vollzogenen Untersuchungshaft, § 165-2 KPK UA.

7.Ausgestaltung der vorläufigen Festnahme.

Die Voraussetzungen der Festnahme sind in Kapitel 9 des ukrainischen KPK geregelt.

a) Vorraussetzungen
Nach § 106 KPKUA kann eine Person vorläufig festgenommen werden, wenn diese der Begehung einer Straftat verdächtigt wird und diese Straftat mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist und einer der folgenden Gründe für die Festnahme vorliegen, wie

1. das Antreffen der Person während der Begehung der Straftat oder unmittelbar danach,
2. wenn Geschädigte oder Zeugen diese Person als den Täter erkennen,
3. wenn diese Person oder ihre Kleidung, die sie trägt oder die sich in ihrer Wohnung befindet, offensichtliche Spuren der Straftat trägt.

Wenn die Person aufgrund anderer Verdachtsmomente der Begehung einer Straftat verdächtigt wird, kann diese vorläufig festgenommen werden, wenn diese Person zu fliehen versucht oder keinen festen Wohnsitz hat oder die Identität dieser Person nicht feststellbar ist.

In jedem Fall der vorläufigen Festnahme hat die die Untersuchung leitende Behörde ein Protokoll anzufertigen. Das Protokoll muss das Datum, die Zeit, den Ort sowie die Gründe der Festnahme enthalten. Das Protokoll ist durch den Verdächtigen sowie den Beamten, der das Protokoll verfasst hat, zu unterschreiben. Der Festgenommene muss über seine Rechte aufgeklärt und belehrt werden. Dies betrifft das Recht zu schweigen sowie das Recht sich durch einen Anwalt verteidigen zu lassen. Die Kopie des Protokolls muss unverzüglich dem Staatsanwalt geschickt werden.
Die Untersuchungsorgane müssen außerdem die Verwandten des Festgenommenen über die Festnahme unterrichten.

b) Dauer
Die Festgenommene Person wird von der Untersuchungsbehörde nach der Maßgabe des § 106 KPK UA innerhalb von 72 Stunden entweder:

1. freigelassen, wenn der Verdacht der Begehung der Straftat nicht mehr vorliegt, oder die von diesem Gesetz gegebene Zeit abgelaufen ist, oder wenn die Festnahme unter der Verletzung der Regeln, die durch dieses Gesetz festgelegt wurden, erfolgte.
2. freigelassen, wenn eine andere Möglichkeit der Fluchtverhinderung als die Untersuchungshaft möglich ist.
3.dem zuständigen Gericht vorgeführt, mit dem Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft.

c) Rechtmittel
Die vorläufig festgehaltene Person soll unverzüglich, spätestens jedoch vor Ablauf von 24 Stunden nach der Festnahme im Beisein ihres Verteidigers verhört werden, § 107 KPK UA. Sie ist darüber hinaus über ihre Rechte aufzuklären.
Die vorläufig festgehaltene Person hat nach § 106 KPK UA die Möglichkeit der Beschwerde gegen die Festnahme. Über die Beschwerde entscheidet ein Richter der entweder die Rechtmäßigkeit der Festnahme feststellt oder der Beschwerde statt gibt und die Freilassung anordnet.

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Die Untersuchungshaft in Polen

1. Rechtsquellen – gesetzliche Grundlagen

Aufgrund der grundrechtlichen Bedeutung der Untersuchungshaft in Polen, wie in anderen europäischen Ländern auch, sind die Regelungen zur Untersuchungshaft durch ein vom Parlament bestätigtes Gesetz – der polnischen Strafprozessordnung normiert worden.

Das Gesetz vom 6. Juni 1997 – die polnische Strafprozessordnung ( Kodeks Postępowania Karnego KPK; Dz.U. Nr 89, poz. 555) zählt zur neuen polnischen Kodifizierung und gilt in Polen seit 1. Juli 2003 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 10. Januar 2003 und der Novellierung zum 01.05.2004.

2. Zweck der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft wird zum Zweck der Sicherung des ordnungsgemäßen Verlaufs des Verfahrens angeordnet, Art. 249 §1 KPK. Sie wird nur angeordnet, wenn kein anderes Mittel angewendet werden kann.

3. Arten der Untersuchungshaft

Das polnische KPK unterscheidet anders als in Deutschland zwischen verschiedenen Untersuchungshaften nicht.

4. Ausgestaltung der Untersuchungshaft

4.1. Voraussetzungen
Nach Art. 258 §1 und §2 KPK erfolgt die Anordnung der Untersuchungshaft wenn;

a) eine begründete Besorgnis besteht, dass der Angeklagte fliehen oder sich verstecken könnte, insbesondere dann, wenn seine Identität nicht festgestellt werden kann oder er keinen festen Wohnsitz im Inland hat, Art. 258 §1 Pkt.1 KPK.

b) eine begründete Besorgnis besteht, dass der Angeklagte andere Personen zu Falschaussagen oder Einlassungen verleiten oder auf eine andere rechtswidrige Weise das Verfahren erschweren wird, Art. 258 §1 Pkt.2 KPK.

Ob die Besorgnis der Flucht wirklich besteht, liegt im Ermessen des Verfahrensorgans. Aus diesem Grund wird die Anordnung der Untersuchungshaft bei Ausländern häufig wahrscheinlich sein.

Art. 258 §2 KPK regelt weiter, dass die Untersuchungshaft angeordnet werden kann, wenn dem Angeklagten das Begehen eines Verbrechens oder Vergehens vorgeworfen wird, welches im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mindestens 8 Jahren bedroht ist. Das gleiche gilt für den Fall, dass das Gericht erster Instanz den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von nicht weniger als 3 Jahren verurteilt hat. Die Notwendigkeit der Verhängung von Untersuchungshaft zum Zweck der Sicherung des ordnungsgemäßen Verlaufes des Verfahrens wird dann mit der dem Angeklagten drohenden hohen Strafe begründet werden, Art. 258 §2 KPK.

Darüber hinaus kann die Untersuchungshaft ausnahmsweise auch dann verhängt werden, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass der Angeklagte, dem ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen vorgeworfen wurde, eine Straftat gegen das Leben, die Gesundheit oder gegen die allgemeine Sicherheit begehen wird, insbesondere dann, wenn er mit einer solchen Begehung bedroht hat, Art. 258 §3 KPK.

4.2. Dauer / Verlängerung
Bis zum Erlass des Urteils durch das Gericht in der ersten Instanz darf die Zeit, für die die Untersuchungshaft verhängt wurde, 2 Jahre nicht überschreiten, Art. 263 §3 KPK.

Dieser Termin kann jedoch unter besonderen Umständen verlängert werden. Die Verlängerung wird durch das Appellationsgericht auf Antrag des Gerichts vor dem die Rechtssache verhandelt wird und im Vorbereitungsverfahren auf Antrag des Appellationsstaatsanwalts, Art. 263 §4 KPK vorgenommen.
Besteht nach Erlass des Urteils in der ersten Instanz die Notwendigkeit zur weiteren Untersuchungshaft, darf die Zeit der Untersuchungshaft jeweils nicht länger als um 6 Monate verlängert werden, Art. 263 §7 KPK.

4.3. Befugnisse /Zuständigkeiten
Der polnische Kodex erteilt dem Gericht die ausschließliche Kompetenz zur Anordnung der Untersuchungshaft, Art. 250 §1 KPK.
Nach der Festnahme durch die Polizei, wird die verdächtige Person verhört. In den ersten 48 Stunden soll der Staatsanwalt, nach Zustellung des Antrags durch die Polizei auf Anordnung der Untersuchungshaft durch das Gericht, den Verdächtigten persönlich verhören. Danach kann der Staatsanwalt entweder den Antrag auf Anordnung von Untersuchungshaft dem Gericht unterbreiten oder davon ablassen und die verdächtige Person freilassen.

Für den Fall, dass der Antrag dem Gericht zugestellt wird, erfolgt auch die Vorführung der verdächtigen Person beim Gericht.
Das Vorführen des Verdächtigten vor das Gericht eröffnet wieder einen 24-Stündigen Termin. In dieser Zeit befindet das Gericht über eine Freilassung oder Anerkennung des Antrags und verhört den Verdächtigen. Zu dem Verhör soll der Verteidiger der festgenommenen Person geladen werden.
In dem Beschluss des Gerichts über die Anordnung einer Untersuchungshaft sollte die Person, gegen die Untersuchungshaft angeordnet wird, benannt werden. Außerdem sollte die vorgeworfene Straftat angegeben werden und vor allem sollte die Dauer der Untersuchungshaft benannt werden, einschließlich dem Schlusstermin der Haft. Der Beschluss ist durch das Gericht hinreichend zu begründen. Die Begründung soll die Beweise für die Begehung der Tat enthalten, wie auch die Rechtsgrundlagen benennen.
Über die Verhängung der Untersuchungshaft ist bei Ausländern das Konsulat zu benachrichtigen.

4.4. Verhängungsverbote / Ersatzmaßnahmen
Nach Art. 259 KPK ist von der Untersuchungshaft abzusehen, wenn der Entzug der Freiheit des Angeklagten;
a) eine ernste Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit darstellen würde oder
b) diese besonders schwere Folgen für den Angeklagten oder für seine engste Familie nach sich ziehen würde.

In beiden Fällen soll von Untersuchungshaft abgesehen werden, wenn besondere Gründe dem nicht entgegenstehen.
Wenn, wie bei Pkt. a) die Untersuchungshaft eine ernste Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Angeklagten zu befürchten ist, kann die Untersuchungshaft auch in einer Heilanstalt vollstreckt werden, Art. 260 KPK.

c) das dritte Verbot bezieht sich auf die zu erwartende Strafe. Danach darf die Untersuchungshaft nicht verhängt werden, wenn aufgrund der Umstände der Sache vorausgesehen werden kann, dass gegen den Angeklagten eine Freiheitsstrafe auf Bewehrung oder eine mildere Strafe verhängt wird, oder wenn die Dauer der Untersuchungshaft das voraussichtliche Strafmaß der Freiheitsstrafe ohne Aussetzung zur Bewährung überschreiten wird, Art. 259 §2 KPK.
d) Das nächste Verbot ist mit der Strafandrohung bis zu einem Jahr verbunden. Demnach kann die Untersuchungshaft nicht angeordnet werden, wenn für die Straftat ein Strafmaß von weniger als 1. Jahr vorgesehen ist, Art. 259 §3 KPK.

Die zwei Verhängungsverbote aus Pkt. c) und d) kommen dann aber nicht betracht, wenn der Angeklagte sich versteckt oder auf Vorladungen beharrlich nicht erscheint oder in einer anderen Weise das Verfahren rechtswidrig erschwert oder wenn man seine Identität nicht feststellen kann.

5. Vollziehung der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft wird in Polen in Untersuchungshaftanstalten vollzogen, Art. 208 § 2 KKW. Die Untersuchungshaftanstalten sind entweder selbständige Haftanstalten oder existieren als besondere, abgegrenzte Abteilungen von Strafhaftanstalten.

6. Haftverschonung

Bei der Anordnung von Untersuchungshaft, kann das Gericht erklären, dass die Untersuchungshaft verändert werden kann, sobald eine Bürgschaft vorgelegt werden kann, Art. 257 § 2 KPK.
Eine Bürgschaft ist ein Vertrag zwischen dem Angeklagten oder einer anderen Person und dem Prozessorgan mit dem Inhalt, dass bei Übergabe der Bürgschaft im Gegenzug die angeklagte Person in Freiheit verbleiben wird. Die Bürgschaft kann aus Geld, Wertpapieren, Pfand oder einer Hypothek bestehen. Es ist aber auch eine Bürgschaft möglich, die beispielsweise von einer Arbeitsanstalt, wo der Angeklagte beschäftigt ist ausgesprochen wird. Dabei verspricht der Bürge, dass die angeklagte Person sich entsprechend verhalten wird.

Im Falle des Freispruchs des Angeklagte, der Einstellung des Verfahrens, der Straferlöschung oder wenn die Dauer der verhängten Freiheitsstrafe höchstens der Dauer der Untersuchungshaft entspricht oder wenn zu einer milderen Strafe als der Freiheitsstrafe verurteilt wurde oder im Falle einer Zurücktretung von der Freiheitsstrafe, wird, wenn der Angeklagte nicht wegen einer anderen Sache eine Freiheitsstrafe absitzt, die Freilassung angeordnet, Art. 264 §1 KPK Falls unrechtmäßig eine Untersuchungshaft angeordnet wurde, hat der Angeklagte das Recht auf eine Entschädigung.

7. Rechtsmittel

Gegen den Beschluss des Gerichts über die Verhängung von Untersuchungshaft kann Beschwerde zum Appellationsgericht (Gericht höherer Instanz) eingelegt werden.
Hat das zuständige Appellationsgericht die Untersuchungshaft angeordnet, kann die Beschwerde bei einem anderen gleichwertigen Appellationsgericht eingelegt werden.

Außerdem kann der Angeklagte immer einen Antrag auf Aufhebung oder Änderung der Untersuchungshaft in eine andere Strafe stellen. Gegen alle Beschlüsse des Gerichts über die Verlängerung von Untersuchungshaft kann Beschwerde eingelegt werden.


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Die Untersuchungshaft in der Türkei

I. Rechtsquellen

Das türkische Strafprozessrecht wurde im Zuge der EU - Beitrittsverhandlungen reformiert, und deckt sich in Großen Teilen mit den Voraussetzungen der Untersuchungshaft nach deutschem Recht.
Die gesetzlichen Grundlagen der Untersuchungshaft in der Türkei finden sich in den §§ 100 ff. der türkischen Strafprozessordnung (C.M.U.K.).

II. Voraussetzungen der Anordnung der Untersuchungshaft

1. Dringender Tatverdacht

Besteht gegen den Beschuldigten kein dringender Tatverdacht, darf eine Verhaftung nicht erfolgen.

2. Haftgründe

a. Flucht oder Fluchtgefahr, § 100 II CMUK
Eine Verhaftung wegen bestehender Fluchtgefahr erfolgt in der Regel, wenn der Beschuldigte keinen festen Wohnsitz hat bzw. ein starker Wohn- oder Arbeitsplatzwechsel in der Vergangenheit erfolgte, ferner dann, wenn er sich nicht ausweisen kann und das für die in Betracht kommende Straftat festgelegte Strafmaß die Obergrenze von 7 Jahren Freiheitsstrafe überschreitet. Die im Einzelfall zu prüfenden Umstände müssen die Fluchtgefahr nicht nur als möglich, sondern vielmehr als wahrscheinlich erscheinen lassen.

b. Verdunklungsgefahr, § 100 II CMUK
Sollte der Beschuldigte auf sachliche oder persönliche Beweismittel einwirken und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschweren können, liegt Verdunklungsgefahr vor. Beispiele für die Annahme einer Verdunklungsgefahr sind das Vernichten, Verändern, Verstecken von Beweismitteln, sowie das Verleiten von Zeugen und Sachverständigen zu falschen Aussagen bzw. Gutachten.

c. Keine Haft bei einem Strafmaß von höchstens 6 Monaten Freiheitsstrafe
Grundsätzlich gilt, dass bei einem im Gesetz angedrohten Strafmaß von höchstens 6 Monaten Freiheitsstrafe eine Haft nicht erfolgen darf.

Eine Ausnahme sieht § 104 IV CMUK vor. Sollte die Straftat das öffentliche Interesse berühren, der Beschuldigte keinen festen Wohnsitz haben oder sich nicht ausweisen können, kann dennoch Untersuchungshaft angeordnet werden.

3. Richterliche Entscheidung

Nach § 106 I CMUK entscheidet der Richter über die Verhaftung. Dies wird durch § 19 III der türkischen Verfassung gewährleistet, da eine Verhaftung eine erhebliche Einschränkung der Freiheit der Person ist.

Die Haft kann vom Staatsanwalt beantragt werden. Der zuständige Richter muss dann über den Antrag entscheiden. Ist der Beschuldigte bereits in Haft, kann er vor der Entscheidung gehört werden. Kann der Beschuldigte nicht angehört werden, entscheidet der Richter nach Aktenlage.

4. Verhältnismäßigkeit

Gemäß § 100 I S.2 CMUK muss die Untersuchungshaft verhältnismäßig sein. Steht die zu erwartende Strafe oder Maßnahme der Sicherung außer Verhältnis zum Zweck, ist eine Haft ausgeschlossen.

5. Verfolgbarkeit

Ist die Durchführung einer Strafverhandlung mit dem Eintritt einer Bedingung verknüpft, darf eine Haftanordnung, solange diese Bedingung nicht eingetreten, ist nicht stattfinden. Dies gilt beispielsweise für Personen, die Immunität genießen. Eine Ausnahme gilt jedoch bei schweren Straftaten.

6. Sicheres Geleit

Einem Beschuldigten kann, damit er an dem Strafverfahren persönlich teilnehmen kann, sicheres Geleit erteilt werden. Dies gilt auch für den, gegen den bereits ein Haftbefehl erlassen wurde. Die Erteilung des sicheren Geleits kann an Bedingungen geknüpft werden. Das sichere Geleit muss für eine bestimmte Tat erteilt werden und hat Gültigkeit nur für diese Tat.

III. Vollstreckung der Untersuchungshaft

1. Haftbefehl

Die Entscheidung über die Haft erfolgt durch den zuständigen Richter in Form des Erlasses eines Haftbefehls, der dann vollstreckt wird. Der Haftbefehl muss die persönlichen Daten des Beschuldigten so genau wie möglich enthalten, damit eine Verwechselung ausgeschlossen ist. Daneben muss der Strafbefehl u.a. die Tat (Tatort und Tatzeit) und die relevanten Strafvorschriften enthalten.

Bei der Inhaftnahme muss dem Festgenommenen der Haftbefehl bekannt gegeben werden. Ist dies nicht möglich, hat die Bekanntgabe in der Haftanstalt, spätestens jedoch am nächsten Tag zu erfolgen. Der Beschuldigte ist die über Möglichkeit der Rechtmitteleinlegung zu belehren.

Der auf Grund des Haftbefehls verhaftete Beschuldigte muss sofort, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden dem zuständigen Richter vorgeführt werden. Nach seiner Vernehmung wird über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls entschieden.

Im Rahmen der Vernehmung muss der Beschuldigte ebenfalls über seine Rechte belehrt werden. Ihm muss u.a. mitgeteilt werden, welche Tat ihm vorgeworfen wird, dass er sich eines Rechtsbeistandes bedienen darf und, dass er die Aussage verweigern darf. Die separate Belehrungspflicht gilt für jede Vernehmung des Beschuldigten.

2. Aufhebung des Haftbefehls

Wird durch die Staatsanwaltschaft keine Anklage erhoben oder besteht kein Grund für die Fortdauer der Haft, wird der Haftbefehl außer Kraft gesetzt. Der Beschuldigte muss sofort durch die Staatsanwaltschaft freigelassen werden. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Haftgründe wegfallen.

3. Haftanstalt

Der Beschuldigte wird in eine Haftanstalt für Untersuchungshäftlinge verbracht. Bei mangelndem Platz kann der Beschuldigte auch in Haftanstalten für bereits verurteilte Straftäter untergebracht werden, jedoch in einem für Untersuchungshäftlinge vorgesehenen gesonderten Bereich.
Zudem können Untersuchungshäftlinge bevorzugt behandelt werden. Der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte kann, anders als verurteilte Straftäter, für sein Wohlbefinden in der Anstalt eigenes Vermögen einsetzen, um so Bequemlichkeiten für die Haftdauer zu erhalten. Dieses Recht gilt allerdings nicht schrankenlos und ist eine Frage des Einzelfalles.

4. Haftdauer

Die Untersuchungshaft darf während des Ermittlungsverfahrens höchstens 6 Monate dauern. Nach Erhebung der Anklage kann sich die Haftdauer auf höchstens 2 Jahre erstrecken, einschließlich der Haft während des Ermittlungsverfahrens.

IV. Rechtsmittel gegen Haftbefehl

Gegen die richterliche Entscheidung mit dem Erlass eines Haftbefehls kann Beschwerde eingelegt werden. Die sofortige Beschwerde kann binnen der einwöchigen Frist erhoben werden. Die einfache Beschwerde kann jederzeit erhoben werden.
Anders als der Antrag auf Rücknahme des Haftbefehls, begründet sich die Beschwerde auf die Rechtswidrigkeit des Haftbefehls. Darüber hinaus entscheidet über die Beschwerde ein anderes Gericht, wohingegen über den Antrag auf Rücknahme das gleiche Gericht entscheidet, welches den Haftbefehl erlassen hat.

V. Aussetzung des Haftbefehls gegen Sicherheitsleistung/Kaution

Der Untersuchungshäftling kann gegen Sicherheitsleistung (Kautionszahlung) freigelassen werden. Die Sicherheitsleistung hat verschiedene Wirkungsweisen; entweder darf der Beschuldigte erst gar nicht in Haft genommen werden, wenn er in Haft ist, muss er wieder freigelassen werden. Die Sicherheitsleistung kann eine Sicherheit in Geld oder eine sonstige Sicherheit, bspw. Auflage, sein.


© 2007 Udo Blümel Rechtsanwälte